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Keine Eintagsliebe

 

 

So nett

 

Es ist nicht ungefährlich, nach so langer Zeit
ins Leben zurückzukehren, nachdem man
fast schon tot war dreizehn Jahre wie
ein Tag, ein langer Schlaf, in der Erinnerung

 

ein einziger schmerzhafter Augenblick
der Ewigkeit ein Lächeln abgetrotzt, endlose
Tage, die nicht vergehen, jede Sekunde steht
auf dem Spiel, wo kein Spiel mehr ist für

 

das bisschen Leben, was übrig bleibt, wenn
nichts bleibt, wie es ist oder jemals war es
so oder wollen wir es nur so sehen, als ob

 

es hätte nicht anders kommen können, so
wie es jetzt ist, hielten wir doch niemals für
möglich ist alles, wenn man nur daran glaubt.

 

 

Maybe

 

Nenn mich Maybe! Vielleicht
Oder auch nicht. Ganz sicher
bin ich mir nie. Führ ich noch
Regie? Oder schon der Zufall

 

der in mich hinein fiel
mit Dir war und ist alles viel
zu leicht um zu vergessen.
Vermessen, wer sich daran

 

nicht erinnern will. Wer
soll da entscheiden wollen
JaNein. Ich will. Und will

 

Auch nicht. Unsere Geschicht ist
noch nicht zu Ende. Vielleicht
hat sie ja auch keins. Maybe.

 

 

Weit weg so nah

 

Körperlese und Hagebuttenzeit

Mein Kopf ist viel zu weit

Weg vom Hier und

Jetzt ist eben erst

Mit Dir und zugleich

Zu lang her und doch

Kurz vor einer gefühlten

Ewigkeit im Augenblick.

 

 

Baumschattentanz

 

Vor der Abendsonnenwand
Bitten freundliche Geister die Pfirsichblätter
zum Baumschattentanz. Darüber
Kreuzt die Silhouette eines großen Vogels.
Der, als fiele er aus dem letzten Blau
Nur einen Lidschlag lang sichtbar ist,
Bevor er verschwindet
Im schattigen Nichts.
Mit geschlossenen Augen sehe ich
Ihn weiter fliegen, und spüre
Wie Du kurz unter meiner Hand zuckst
Im ersten Schlaf.

 

Rainy days

 

Regen,
Mein grauer Geliebter!
Bau uns ein Zelt
Aus leichten Ästen und
Duftendem Blättergrün!
Lass uns dort
Fest umschlungen
Deinem Tropfen lauschen.
Umhüllt nur
Von Deiner sanften Musik
Und dem stillen Rauschen
Des Waldes. 

 

 

Rhabarbermund


Der Montag morgen
Dein prall befüllter Kopf
Eine Zangengeburt
Küß mich, Rhabarbermund!
Damit ich Deinen sauren Atem spür
Und nicht vergess
Wie süß die Liebe schmeckt. 

 

 

Nach Hokusais Welle
Über die Liebeslächerlichkeit

 

Liebestreibholz im Lustgewitter
ich bin ein heilloser Seelenritter
treibend manchmal, meistens getrieben
fallend oft, selten gestiegen
das hölzerne Boot in Hokusais Welle
das fliehende Herz in brausender Stille
ein winziger Punkt in tosenden Massen
auch wenn du mich lässt, ich kann dich nicht lassen
im brausenden Sturm auf schwankendem Nachen
kein Ufer in Sicht, auf Planken, die krachen
versinkend will ich, schon versunken
maßlos lieben, lebenstrunken 

 

 

Echolot


Schattenohr,
Du hörst meine Seele blind
Vibrieren
Und gibst mir wortlos
Mein eigenes Echo zurück.
Heut hör ich mich
Aus Dir
Schweigen. 

 

 

Mein Herz schlägt doppelt


Du fielst als Schnee in meinen Bauch.
Mein Flockenkind.
Ich hab Dich fallen sehen!
So leicht, so kalt.
Sie schabten Dich aus mir heraus. Die Beine voller Jod.
Doch Du
Hörtest nicht auf zu wachsen
In mir.
Mein Herz schlägt doppelt,
Seit Du bei mir bist. 

 

 

Bernstein

 

Bernsteinauge
In Deinem gelben Blick verschwindet die Zeit.
Sag uns:
Welcher Wald hat Dich geboren?
Welches Meer Dich in den Schlaf gewiegt?
Wer hat als erster Dich ins Licht gehalten? 

 

 

Hungry Blue

 

Leg Dich zu mir ins graue Nebelnest, mein blindes Kind
Ich kann in Deinem unruhigen Atem lesen. Dich trösten,
wenn Du weinst im Schlaf. Keiner weiß,
wie bunt Deine Träume sind. Doch selbst
Eisbären träumen nicht nur in Weiß. Liebe

 

kennt keinen Plan B. Sie folgt niemandem
als sich selbst. Wie mein kurzer Bleistift, der lautloser
übers Papier fährt als eine Flüster-Tastatur
die Dich stärker stört als das Hupen ferner Gleisarbeiten.
Ich denke nur noch auf Zehenspitzen und schaue rückwärts

 

ins hungrige Blau. Yves Klein in Plastik. Ein Stückchen Eimer,
angeschwemmte Sehnsucht. In den Hochwasserweiden hängt
der Fußballschuh eines Kindes. Der Schnürsenkel
hat sich gelöst und baumelt im Wind. Vier Kohleberge
ziehen rheinaufwärts und liegen tief im Wasser.

 

Tausend Träume tief

 

Du weinst, mein Kind, und ich
kann Dir nicht helfen. Wie hoch
ist das spezifische Gewicht
des Schmerzes? Es gibt keinen

 

Trost, der größer ist als ein paar
Klicks in die Sorglosigkeit wunder
schöner Bildschirmwelten und Dein
Lächeln, mit dem Du uns begrüßt

 

morgens, nach Deiner durchwachten
Nacht. Du weinst, mein Kind. Ich
höre Dich sogar im Schlaf und weiß,
ich kann Dir nicht helfen. Ich falle
tausend Träume tief. Meine Trauer

 

zählt rückwärts bis ins Unendliche.
Ich suche Worte. Sie fehlen mir
immer öfter. Manchmal scheint
das Leben einfacher, je mehr
ich sie verliere durch Dich.

 

Liquid love

 

Der meteorologische Aschermittwoch zeigt sich
versöhnlich. Oder ist es nur eine Atempause
zwischen einem Sturm und dem nächsten? Ein
Waffenstillstand im Stellvertreterkrieg
zwischen mir und mir? Fast ein wenig zu still

 

der Schweige-Marsch der Krokusse und die
stumme Maiglöckchen-Revolution nicht nur
im Garten, scheint es, spielen sie Schleuder
Figur. Wer sich als erster bewegt, hat
verloren. Dabei geht es doch aufwärts und

 

der Dax steigt, das Gefühls-Barometer der
Deutschen Wirtschaft! War da nicht eben
ein Eichhörnchen in der Kiefer, das
Luftküsse verteilt an die ganze Welt?

 

Und irgendwoher kam plötzlich das Ping
einer SMS, die Kurzbotschaft einer alten
Liebe? Hab Geduld, liquid love, wir treffen
uns wieder im Herzen des Horizonts!

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