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Poetisches Reise-Tagebuch

 

Lyrisches Tagebuch einer Südfrankreich-Reise

(Mein Dank gilt Inge und Marc für ihre französischen Übersetzungen)

 

 


Wir drehen sämtlichen Windmühlen den Rücken zu
Und fliehen südwestwärts auf blaugrauem Asphalt
"Schöne Aussicht" verspricht ein Autobahn Parkplatz
Auf abgeerntete Felder, dichten Eifelwald und ein paar Pferde.
Der Regen ist ein graues Tuch.
Er schluckt den Horizont. Nur ein Fleckchen
Himmelsblau erzählt Geschichten vom vergangenen
Sommer, der nie einer war.


 

 

 

Der Himmel schmeckt nach Pastis und grüßt auf französisch.
Nur Cattenom schickt Rauchzeichen ins Wolkenlos.
Die Kühe sind weiß und geben Milchkaffee .
Und die Mosel heißt hier Moselle. Die macht heute blau.
Ich zähle Schwäne, solange die Finger reichen
Und sammle Strohballen: gerolltes Sommerglück!
Endlose Hecken säumen große Felder
und kleine Windmühlen holen Wasser für das Vieh.
Es ist das Land der Wälder, Quellen, Weiden.
So wenig Städte und Menschen vergißt man nie.

 

 

 


High noon! Die Sonne dreht auf Süden.
Wir haben Wind im Gepäck.
Verblühte Sonnenblumen nicken
mit ihren müden Köpfen meerwärts.
Später Mais steht auf den Feldern
Pappeln mäandern die Flüsschen entlang.
Wie Pilze schießen Wassertürme
aus der frisch gepflügten Erde
Und rote Dächer unter Hängen voller Wein.
Champagner fließt hier aus jedem Wasserhahn.
Der Mistral treibt die letzten Wölkchen böig
vor uns her. "Schnell weiter, immer die Rhone entlang!"
"Richtung Abend wartet das Meer!"

 

 

 

 

"Die Frau ohne Kopf" heißt ein Flüßchen, das wir queren.
Spatzen nehmen ein Trockenbad im weißen Kies
vorm Spielplatz am Autogrill. "Das Tor zum Süden"
liegt jetzt hinter uns. Die Rhone vor Valence
gibt in der Nachmittagssonne das kleine Meer.
Zypressen und Obstbäume am Weg
Und der Atommeiler von Montélimar.
Ein Fischreiher fliegt tief und ein Schwarm Tauben, nur
eine einzelne weiße in ihrer Mitte.
Bei Orange macht die Sonne noch mal einen Knicks
Und wendet sich westwärts
zum letzten Tanz der langen Schatten.

 

 

 


Das Meer ein Staniolpapier, der Himmel spearmint-blau
Unsichtbar die Fahrrinne, in der das Marineschiff ankert.
Seine Kriegsbemalung blauweißrot am Rumpf
spiegelt die Sonne wild flatternde Vögel.
Ich schwimme hinaus ins tiefe Algenschwarz.
Kleine Wellen schlagen mir ins Gesicht
zurück bis ans Ufer. Der Nachbar hört Nachrichten
auf französisch. Ein Segler kreuzt mit flatterndem Tuch
auf der Suche nach dem Punkt,
an dem das Meer sich selbst vergisst.

 

 

 

 


Das Meer trägt ein Brautkleid in silberweiß. Die Schleppe reicht
Fast bis zum Ufer. Drei Boote tragen sie feierlich über das Wasser.
Sechs Ruderer und ein Steuermann spielen auf zum Hochzeitstanz.
Sie schlagen, wild rudernd, den Takt, bis die Gischt zum Himmel spritzt.
Darüber der jüngste Sohn des Pyrenäenkönigs: Der Bräutigam,
Heute ganz in schwarz, neigt sich sanft hinab zu seiner Braut.
Dahinter im Dunst, der Canigou, der zum Fest noch ein wenig
Grauer lächelt mit diesigen Augen, die von der eigenen Hochzeit
Träumen. Damals im Schnee. Und ganz in Weiß.


 

 

 

Über dem Étang staffeln sich die Chalets
im Abendlicht: weiße Leinwände, auf die Möwen
ihre Kurven schreiben, bevor sie kopfüber
ins tintenblaue Wasser stürzen.
Der kühle Wind aus den Pyrenäen treibt es
in kleinen Wellen aufs offene Meer.
Ein Segler, der vor Anker liegt, dreht sich mit.
Die Adamsblätter der Maulbeerbäume bilden eine Himmelsborte,
die mit dunkelgrünen Fingern ins blaurosa Pastell greift.
Fast scheint es, die Stelzenhäuser wendeten sich
unmerklich gegen Westen, um der Sonne
ihr Geleit zu geben bis zu den Hügeln,
wo Frankreich und Spanien
sich im letzten Licht vermählen.

 

 

Vielen Dank an Marc für sein Bild zum poème!

 

französische Übersetzung

 

Sur l'étang les chalets s'étirent,échelonnés,
dans le crépuscule des toiles blanches
sur lesquelles des mouettes écrivent leurs arabesques
avant que,tête la première,elles plongent
dans l'eau tintée de bleu.,
Le vent frais des Pyrénées pousse l'eau
en petites vaguelettes vers le large.
Un voilier à l'ancre se balance et tourne lentement.
Les feuilles d'un mûrier-platane forment devant mes yeux
une bordure dans le ciel
qui griffe de ses doigts verts-foncés le pastel bleu-rose.
Il semble presque que les chalets sur pilotis
se tournent imperceptiblement vers l'ouest
pour accompagner le soleil jusqu'aux collines,
où la France et L'Espagne
se fondent dans la dernière lumière.


 

 

 

Es schlägt die blonde Stunde. Zur Mittagszeit blinzelt
Die Sonne träge aus ihrem Wolkenkissen. Das Weinlaub lächelt,
Tief errötend, zurück. Hellgelbe Fenchelblüten greifen nach
Den Schultern und Pinienzweige grüßen mein Haar.
Wenn die Knie den wilden Rosmarin streifen, dunkelt
Sein Duft tiefer nach. Das trockene Flussbett aus weißem Stein
Legt eine helle Spur in den Wald. Noch auf den Höhen kann ich
Seinen grünen Atem riechen, den der Abend oft bis weit hinunter
Ans Meer begleitet. Ins Land der vielen Winde, das heute still
Und ein wenig schläfrig im blonden Licht schlummert. 

 

 

 

 


Lundi gris

 

Promenade der Baguettes vor der Lagune. Eine blank geputzte Silbermünze und
So still, dass jede Angel ihr eigenes Echo wirft. Mit zarten Wellen,
lautlos wie der Tag, an dem man die Oliven fallen hört
Und Fische, wenn sie springen oder unter Wasser
Ihre Seemannslieder singen. So leise, dass selbst
Die Möwen schweigen und lauschen, wenn sie den Fischerbooten
Ihre kalte Schulter zeigen. Denn heute ruhen sie aus und decken
Sich mit den Wolken zu. Die schwer sich auf die Berge legen.
Nur sie allein wissen an grauen Tagen wie diesen,
Wo die Gipfel schlafen und der Himmel beginnt.

 

 

Lundi gris (französische Übersetzung)

 

Promeneurs avec baguettes de pain devant la lagune: Une pièce d'argent brossée brillante et
si calme que chaque canne à pêche lance son propre écho. Avec des vagues tendres,
sans bruit, comme le jour où l'on écoute tomber les olives
et les poissons quand ils sautent ou chantent sous l'eau
leurs chansons de marins: Si bas que même
les mouettes se taisent et écoutent quand ils tournent le dos aux bateaux des pêcheurs.
Car aujourd'hui ils se reposent et ils se couvrent
avec les nuages.Qui se posent lourdement sur les montagnes.
Eux seuls savent,aux jours gris comme celui-ci,
où dorment les sommets et commence le ciel.

 

 

 


Die Pyrenäen lächeln, denn der Canigou trägt seit heute graues Haar
Der erste Sturm ist vorbei und der Herbst ist da, sonnig und klar
Das Wasser im Etang ist gletscherkalt. Es zerlegt die Welt
In tausend kleine Spiegel, während das Meer weiter brüllt,
Schläft der kleine Bruder hinter der Mole in aller Ruhe
seinen Rausch aus. Nur, wenn ein Boot passiert, legt er für kurze Zeit
Seine junge Stirn in glatte Falten. Die Möwen haben heute Badetag
Und Segler flanieren mit leicht geschürztem Tuch. Der erste Tag
Seit dem großen Regen, an dem der seichte Wind sie wieder
Sanft hinaus ins offene Meer schiebt. "Geht spielen!" ruft der Tag.
"Solange die Sonne noch wärmt! Die Zeit der Sandburgen
Ist bald vorbei! Schon wartet der erste Schnee hinter den Bergen!"

 

 

Les Pyrénées sourient.... (französische Übersetzuing)

 

Les Pyrénées sourient car le Canigou montre depuis aujourd'hui des cheveux gris.
La première tempête est passée et voilà l'automne,ensoleillé et clair.
L'eau de l'étang est glaciale.Elle divise le monde
en mille petits miroirs.Pendant que la mer continue de rugir,
son petit frère cuve son vin dernière le môle
en toute tranquillité.
Il ne pose, pour un court instant,
son front jeune aux plis lisses,qu'au passage d' un bateau.
Pour les mouettes c'est jour de bain aujourd'hui
et des voiliers flânent, avec leurs jupes retroussées.
C'est le premier jour,où,depuis la forte pluie,
le vent léger les pousse à nouveau tendrement,
en direction du grand large.
"Allez jouer," clame le jour, "tant que le soleil chauffe!
Le temps des châteaux de sable se termine bientôt!
Déjà la première neige attend derrière les montagnes!"

 

 

 

 


Schwarz in schwarz gleiten die Kinder der Pyrenäen ins Meer,
wo sie von wedelnden Schirmen bunter GleitschirmSurfer empfangen werden.
Darüber, in einer Wolke aus Nichts, schwebt der Canigou, als wäre er nur geträumt.
Segelmasten weisen aus der Meeresseide in die dunkle Bergsilhouette,
jenseits der sich heute neblig graue Hügel bis weit hinunter an die spanische Küste sehnen.
Die Möwen schweigen zur Mittagsstunde und auch die Spatzen halten Siesta.
Den Rest verschluckt der Wind, der sanft und kühl aus den Bergen weht.

 

 

 


Das Meer poliertes Eisen, der Himmel taubenblau
Stumm stehen Angler in ihren Gummibeinen
Sogar die Möwen fliegen stiller
und dichter übers Wasser. Fast, aber nur
fast berühren sie mit ihren Flügelspitzen
das Eisengrau. Die Sonne macht einen Tag frei.
Und die Segler bleiben lieber im Hafen
Sie trinken den Expresso heute doppelt schwarz.
Zugvögel üben den ersten Formationsflug.
Sonderbar, wie kräftig der Lavendel duftet,
bevor der Regen fällt. Genügend Zeit,
die Wellen bis zum Horizont zu zählen.

 

 

 

 

 

Heut ist der letzte Freitag und der Canigou hält Gericht. Er trägt
Seine Wolkenperücke aus langen weißen Locken. Zum Lachen
Finden das die Möwen, die wie jeden Tag ihre gleichen Runden
Über die Lagune ziehen. Darunter, im seichten Wasser, drehen
Fingerlange Fischchen sich mit. Im morgendlichen Singkreis lernen sie gerade
Das Wellen-Einmaleins. Bald gehts für sie zum ersten Mal
Hinaus ins offene Meer. Die Kleinen zappeln schon
Vor Vergnügen. Kalt soll es sein und weit und breit
Kein Ufer! Schon zieht die Ebbe kräftig Richtung Leuchtturm,
Der steif und windschief in die Brandung starrt. Wonach er Ausschau hält
Weiß ganz allein er selbst.  

 

 

 

 

Canigou

 

Mittelmeer-Tage, die mit dem Wind aufstehen.
Der Horizont, nur einen Herzschlag weit entfernt.
Verlockend nah das Immerblau,
Das kein Segel je erreicht.
Wie viele Möwenschreie westwärts
Schläft der weiße Pyrenäenberg?
Die Wellen frösteln unter seinem kalten Atem
Und verbrüdern sich mit der Sonne
In wildem Pastell,
Das, einige Flügelschläge später,
Über den Hügeln verblasst.
Rosenbäuchige Flamingos krächzen
Spät über der Nacht, die sich
Ohne Wind heute nicht schlafen legt.

 

 

 

 


Meergras zeichnet
Mit feiner Spitze,
Vom Wind um die eigene Mitte gedreht,
Einen Zirkel in den Sand.
Der Schritt stutzt
Vor seinem zarten Bannkreis,
Obwohl ein paar Tropfen später
Seine Spuren wieder verwischen.

 

 

 

 

 

Mach Deine Augen zu und zieh
Mit feinem Bleistift Deinen Horizont
Ins Dämmerlicht. So zart
Zeichnet die Erde sich in den Himmel!

Sieh nur, die Segel, wie sie sich glätten
Im leichten Wind und wie das Meer
Sich mit dem Land vermählt,
Wenn salziger Atem und wilder Thymian sich küssen.

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