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Handtaschen-Politik und Alltags-Philosophie

 


Ode an das Grau

 

Grau ist keine Farbe, es birgt alles in einem Ton
Grau ist kein Standpunkt, es stellt zur Disposition
Grau wirft keine Schatten, es speichert das Licht

 

Grau sagt „Vielleicht", entscheiden liegt ihm nicht
Grau liebt die Ahnung, die Dämmerung ist seine Zeit
Grau ist ohne Tiefe, und reicht doch bis zur Unendlichkeit

 

 

Französische Übersetzung (Herzlichen Dank an Marc)

Ode au gris

 

Le gris n'est pas une couleur,il contient tout d'un ton
Le gris n'est pas un point de vue,il est en discussion
Le gris ne jette pas d'ombre,il stocke la lumière

Le gris dit "peut-être" n'est pas sa décision
Le gris aime l'idée que le crépuscule est son heure
Le gris est sans profondeur mais atteint l'infini

 

 

différance

 

Beim Skispringen heut im Fernsehen zwischen den Jahren
Kommt ein und derselbe Springer zweimal angefahren
Drei Screens hab ich beim Cross-Training vor dem Gesicht
Außen läuft derselbe Skisprung, nur in der Mitte nicht

 

Links sitzt der Springer am Start noch in voller Konzentration
Zur gleichen Zeit sieht man ihn rechts auf der Schanze schon
Will er links auf dem Schirm sich gerade vom Absprung heben
Sieht man ihn rechts bereits frei in den Lüften schweben

 

Zeigt der linke Screen den Springer noch beim Fliegen
Ist er rechts auf dem Bild schon aus den Skiern gestiegen.
Der Abstand von beiden zählt ungefähr drei Sekunden

 

Dazwischen hat die Zeit sich selbst neu erfunden
In Wirklichkeit passiert dasselbe niemals zur gleichen Zeit
Zwischen Jetzt und Jetzt blinzelt unsichtbar die Ewigkeit

 

 

Schwarzlicht – für Pierre Soulages

 

Der schwarze breite Pinselstrich übermalt das Licht
Das Licht ist nur zu ahnen, sehen kann ich es nicht
Das Helle wird geborgen von verdunkelnden Zeichen
Zur Farbe auf dem Grund darf das Auge nicht reichen

 

Das Schwarz verwehrt energisch, es zu durchdringen
Doch les ich erst die Zeichen, kann etwas gelingen
Das Dunkel umfängt die Farbe, das Schwarz ist bunt
Licht leuchtet aus der Tiefe, das Quadrat wird rund

 

 

Ticket to heaven – ein Sonett

 

Egal, ob Du ständig auf der Stelle stehst
Ob Du die ganze Strecke rückwärts gehst
Ob Du dumm bist oder sehr gescheit
Ob Du Dich sträubst oder ständig bereit

 

Ob Du immer wieder im Kreis Dich drehst
Ob Du streikst oder um Erlösung flehst
Ob Du Jeans trägst oder Designer-Kleid
Auf Dich wartet ein Ticket in die Ewigkeit.

 

Frag nicht, wo's langgeht, und nicht, warum
Lausch dem Rhythmus, der sich fortträgt
Schau nie nach vorn, dreh Dich nicht um

 

Egal, wann man die allerletzte Runde dreht
Die unsichtbaren Schaffner nicken stumm
Wenn man alleine auf dem Bahnsteig steht

 

 

Fernschreiben

 

Für Fernschreiber ist

Ferne nur ein Wort

kein andrer Ort,

wo man nicht hier

ist, sondern dort.

Denn in drei Sätzen

ist er fort.

 

Für Fernschreiber ist

Schreiben keine Pflicht

Er liest die Texte als Gedicht,

Wovon sie schweigen,

sprechen sie nicht.

Was nicht gesagt ist, fällt

um so schwerer ins Gewicht.

 

Für Fernschreiber ist

das Loch ein Teil vom Sein

In Karten müssen

immer Löcher rein.

Ein Loch heißt „Aus"

Kein Loch heißt  „Ein".

Das  Loch ist das Andere

Und sei es noch so klein.

 

 

Liebe im CC

 

Alle Tauben, so heißt es, hätten einen eingebauten Liebes-
Kompass. Nur ein paar winzige Eisenspäne im Schnabel,
fänden sie zielsicher, nichts als die Sehnsucht und ein paar
Wörter unter den Flügeln, egal von wo, zur großen Liebe

 

nach Hause zurück. Heimweh, so scheint es, ist eine hohe
Kunst. Mit ihr lernen sogar Worte fliegen. Vielleicht – was
wissen wir schon über digitale Brieftauben-Post – geht in
Wahrheit jede short message im Cc an die verlorene Liebe.


Der rechte Winkel

 

Der rechte Winkel hat immer Recht.
Was in der Regel daran liegt, dass es
ihn gar nicht gibt. Ausschließlich in
der Wissenschaft, die von Natur aus
krumme Sachen rechtwinklig macht.

 

In Wahrheit hat sie sich das selber
ausgedacht. Denn mit dem, was es
nicht gibt, kann man rechnen. Genau
so wie mit Null und Eins. Aber immer
ist Etwas und selbst ein wenig ist nicht

 

keins. Und wo nichts ist, kann niemand
sein. Nicht mit dem linken und auch nicht
mit dem rechten Bein. In Wirklichkeit ist
niemals Nichts. Allein zum Schein muss
alles im linken oder rechten Winkel sein.

 

Fingeruhr

 

Der Sand tropft durch die Fingeruhr
zieht eine zarte Rieselspur
die immer wieder von dem schnellen
mal zögerlichen Takt der Wellen
hinweggespült wird in das Meer.

 

Der feine Sand ist gar nicht schwer
und sinkt doch auf den Grund hinab
legt sanft sich auf das Seemannsgrab.
So leicht verrieselt unser Leben.
So ist das eben.

 

Europa-Center, ein Nachruf


Zuhause ist ein fernes Land lese ich im Vorbeifahren,
wie jeden Morgen, auf der Mauer des Museums, Motto
der Bilder einer Ausstellung, die ich nicht kenne, bevor
ich den gigantischen Trümmerhaufen passiere, Haus
hohe Schuttberge, wie man sie täglich von Fernseh
Bildern aus dem Syrienkrieg kennt, Überreste des frisch
gesprengten, so genannten Europa-Centers, auf dem
Dach ein sich um die eigene Achse drehender Mercedes
Stern, die marode Utopie von einem gemeinsamen

 

Zuhause ist ein fernes Land, ein alter Betonklotz,
an dem der tägliche Stau eine Kurve schreibt, bevor er
im Stop-and-go am Erstaufnahmelager entlang führt,
erkennbar nur an dem schwarz vergitterten Zufahrtstor,
eine versteckte Nische zwischen Bauzäunen, rund um
die Uhr bewacht von Sicherheitsbeamten in leuchtend
gelber Warnweste vor einem kleinen gläsernen Kabuff.
Wer schützt hier eigentlich wen? frage ich mich und
Was ist drinnen und draußen? Wo ist denn überhaupt

 

Zuhause ist ein fernes Land. Nah vor mir eine kleine,
kaum sichtbare spanische Fahne auf dem Heck eines
Autos, die französische Trikolore auf einem anderen
Wagen wir es heute nicht einmal mehr, uns zu unserer
Sehnsucht nach Ferne zu bekennen, egal ob es sich um
das ferne Urlaubsziel oder das Heimatland handelt? Der
Traum vom besseren Anderswo stimmt ohnehin nie
und bleibt trotzdem immer noch wahrer als die Realität,
die einen sowieso ständig wieder zurück führt nach

 

Zuhause ist ein fernes Land, unwichtig, von wo man
aufbricht oder wo man hin will. Ob in die Ferien, zu sich
selbst, in ein neues Leben oder vielleicht auch nur ein
paar Kilometer rheinaufwärts, im Schritttempo neben
Lastkähnen unter holländischer oder belgischer Flagge
mit Namen wie Renate oder Michaelangelo, hinauf bis
zum Hotel, wo auf dem Balkon jemand Französisch spricht,
was mich sofort mit Fernweh impft und den Fluss zum
Meer macht, das murmelt Zuhause ist ein fernes Land. 

 

 

Falsche Himmel

 

"Angreifer am Flughafen Orly erschossen" lese ich
seit einer gefühlten Ewigkeit die gleichen Breaking News
in Dauerschleife auf dem Fernseher vorm Laufband und höre
von hinten das rhythmische Stöhnen der Best Agers unter
viel zu schweren Gewichten, daneben eine Falten zerknitterte

 

alte Damen, die mit bewegungsloser Buddha-Miene in ihr
nächstes Leben schaut oder vielleicht auch nur zur
Taube auf dem lehmverputzten Hallendach, die sich
immer wieder aufplustert, obwohl sie in Wirklichkeit nur
ein Stückchen Pappe ist, das sich unter den im Wind quer

 

treibenden Regenschauern auf der Stelle bewegt, draußen im
Einheitsgrau, das vom Hochgurgl bis nach Sylt reicht,
glaubt man der Wettercam, die übergangslos von
verschneiter Bergkulisse auf stürmische Küste schaltet,
Sonne nur auf Samos, zu kurz, um wahr zu sein, Fade news

 

für kalte Träume von falschen Himmeln, die uns zu oft
vergessen lassen, dass doch schon ein Blick genügt auf den
vorbeifahrenden Zug vor der alten Fabrik mit zugemauerten
Fenstern und turmhohem Schornstein aus roten Ziegeln,
um mit Ozu eine "Reise nach Tokyo" anzutreten, die immer
am Meer endet, egal, wo man aufbricht und wohin man zurückkehrt.

 

Schleudertrauma

 

Die Welt im Schleudertrauma.
Kollektive Kollision nach
Geschwindigkeitsüberschreitung

 

im Globalisierungsrausch
wächst der Retro-Traum vom
"Früher war alles besser",

 

meinen, die sich an das, was war,
nicht erinnern können.
Demokratie-Demenz. Recht hat,

 

wer es sich nimmt. Und behauptet,
es "Im Namen des Volkes" zu tun.
"Au nom de peuple" heißt

 

ihr Wahlspruch. Nationalisten
aller Länder, vereinigt Euch!
Am Deutschen Eck. Ein Schandmal

 

sei die Erinnerung an die eigene
Vergangenheit. Das Leben ist
schließlich keine Operette.

 

"Glücklich ist, wer vergisst, was
nicht mehr zu ändern ist." Recycling
alter Parolen und Vokabular

 

wie Jungschar. Nur ein Wort,
das ich gestern am Fenster einer
Kindergruppe sah, aus Papp-

 

Buchstaben, die die Welt verändern:
"Make america great again".
Kapitalismus contra Kalifat.

 

Gemeinsam ist allen das Versprechen
vom Goldenen Zeitalter. Das es nie gab.
Nur "Krieg und Frieden",

 

der oft nur so lang war wie die
Erinnerung an den letzten Krieg
kurz. Der Kampf der Wörter

 

hat doch schon längst begonnen.
Alternative Fakten sind nur
eine andere Version von "Wahrheit

 

und Lüge im außermoralischen
Sinne". Nietzsche für Wutbürger.
Fake-news oder Wer zuletzt lügt,

 

lügt am besten. Grenzen gelten nur
für die anderen. Wer weiß denn noch,
wie schön Wölfe heulen?

 

Herzhanteln

 

Der Nebel ist ein schmutziger Helm. Graue
Engel treiben Strafzölle ein für diesen
kurzen Blick in zu viel Weite. Lausige Lizenz
zum Herzhanteln. Tage in Blau lassen sich doch
trainieren. Man muss sich nur den Grünspan

 

Von der Seele sprechen. Wort für Wort
Heraus aus der Schreib-Apnoe. Das ist wirklich
Die Wahrheit ist eine einfache Gleichung
8 Menschen besitzen 426 Mrd Dollar und
3,6 Mrd Menschen besitzen 409 Mrd Dollar.

 

Alles andere sind doch nur Fake News
aus dem eigenen Hirn. Wer sich glaubt, wird
Selig sind die geistig Armen. Ihnen ist
der falsche Himmel gewiss. Hallelujah!

Zwischen den Jahren, zu viel Zeit, um die Wunden
vom letzten Jahr zu lecken. Seelen-Inventur
bei zehn Grad plus und Sonnenschein. Es regnet
in Aleppo. Sagt Wetter Online. Im Fernsehen

 

sehe ich Kinder, ein unscharfes verpixeltes
Video aus einem Bombenkeller. Ein Kleiner
nestelt an seiner Hose. Sie ist ihm offenbar
zu groß wie die Vorstellung, dass seine Eltern

 

nicht mehr wiederkommen. "Regen auf Deinem
Gesicht überall, Du weinst, mein Kind. Warte mal,
noch ein Märchen für Dich!" habe ich ein Lied
aus einer anderen Zeit für einen anderen

 

kleinen Jungen in einem ganz anderen Krieg
der Liebe im Ohr. "Doch es ist schon zu spät,
mein Kind." Es gibt kein Rückgaberecht
für das eigene Leben trägt jeder selbst

 

die Verantwortung lässt uns nicht los. Das
ist der Preis der teuer erkauften Mündigkeit,
Dorian Gray! Ewige Schönheit gibts nur in
der Werbung. Die Freiheit ist hässlich

 

und vom Umtausch ausgeschlossen. Bei der Jahres
Endabrechnung bleibt vor dem Komma meist ohnehin
nur `ne glatte Null. Nichts übrig, außer falscher
Gefühlsduselei und einem kalten Gläschen Sekt. 

 

 

Stichwahl

 

Der Dezember ruft zur Stichwahl auf und stellt
sich selbst als einziger Kandidat. Alternativlos hieß
das Unwort 2010. Wer kann schon den Argumenten
einer Raviolidose widerstehen mit dem Ablaufdatum
des vergangenen Urlaubs? Mein innerer Betriebsrat
streikt erfolglos gegen die emotionale Nullrunde.

 

Was bleibt übrig von der Legislaturperiode dieses
Sommers als ein großer Haufen Laub und ein gut
gefüllter Öltank unten im Keller wie der aktuelle
Niedrig-Zins. Wer heute kein Haus baut, baut es
nimmermehr. Altersvorsorge, in Worten angelegt.
Wer sonst soll in Zukunft unsere Träume zahlen,

 

wenn nicht wir selbst Vorsorge treffen mit Protest
und Poesie als Haltelinie vor dem freien Fall
der Visionen ins Nichts ist schließlich besser als
eine Handvoll Worte. Aber finden wir denn noch
neue Fragen zu den alten Antworten? "Das hält!"
verspricht ein Plakat vor abbröckelnder Fassade.

 

 

Warteschlange

Wer klopft denn da in meinem Ohr? Ist doch
sonst keine müde Seele in der Warteschlange!
Die innere Hotline meldet Zeitüberschreitung
und irgendwer bittet um Rückruf. Sämtliche
Leitungen seien überlastet. Alle Welt redet

 

über den Super-Vollmond. Und Trump, der
als neuer US-Präsident angeblich auch nur
mit Wasser kocht. So beruhigen die Medien
vor allem sich selbst und feiern lieber
den 1000. Tatort. Wir sehen fern

 

wie immer ohne Ton. Den ersten Schimanski
mit der Lizenz zum Fluchen in gelb
überblendeten Kurz-Zeilen. Poesie in
Untertiteln aus der Werkstatt Münster.
Zwei rohe Eier im Glas zum Frühstück

 

vergisst man nicht. So lange speichert
unser Körper vergangene Bilder von 1981
das Jahr des Amtsantritts von Ronald
Reagan. Forever young! Angst kennt
kein Verfallsdatum. Die Wiederauflage
von SDI, Star Wars als globaler Krieg
der Medien. Twitter und Facebook

machen heute Politik. Privat ist man nur noch
auf dem Klo. Doch wer traut schon seinem eigenen
Mist? Aber das Leben ist schließlich mehr als
der Kalte Krieg zwischen Null und Eins.

 

 

Rauhreif

 

Das Jahr ist rauhreif. Der November übt
für den Stimmbruch. Wer kann, beruft sich auf
Die vertraglich gesicherte Mindestfreiheit.
Hoffnung kann man mieten! Was sagt

 

Ein Flugdatenschreiber schon über
Die Angst der Seele beim Fall
In die Tiefe schreiben, lässt
die Worte leichter werden. Fast

 

So leicht wie ein Wintergoldhähnchen, das
Weniger wiegt als ein Standardbrief an
Die lieben Toten. Sie wärmen sich ihre
Kalten Hände an den Allerheiligen

 

Lämpchen. Was gelb ist, fällt jetzt
zu Boden. Bald kommen die ersten
Klima-Flüchtlinge. Sie fliehen vor
Trockenheit und Hitze. Besonders

 

die Armen sind von der Klima
Erwärmung betroffen. Wie plötzlich
es kalt geworden ist. Ganz ohne Übergang
von der Sommerzeit direkt in den

 

Winter-Jetlag. Ich wünsch mir einen
Kokon aus Meeresseide. Hauchzart und
Matt glänzend wie polierte Bronze.

 

 

Süße Bitternisse 1


Es war ein Sommer voller süßer Bitternisse.
Regen und Sonne stritten um die Wette. Große Schwüle
In Deutschland, das sich in Gastfreundschaft und
Fremdenhass teilt. Die Heimat feiert Renaissance. Urlaub
Macht man wieder im Allgäu oder an der Nordsee. Die große
Angst und der "kleine Waffenschein" haben heute Hochkonjunktur.
Lederhosen gibt es neuerdings beim Discounter. Und,
Wer was auf sich hält, feiert sein Oktoberfest im eigenen Garten
Zur Not schon im September. Der diesmal der eigentliche Sommer war
Sonnig und klar. Die Trauben in diesem Herbst
Werden wohl bittersüß. Sie schmecken
Nach einem frühen, eiskalten Winter. 

 

 

Süße Bitternisse 2


Süßholz schmeckt etwas bitter. Wenn man
Nur lange genug darauf kaut. Wie jede süße Lüge
Sei sie leise oder laut. Aus gutem oder bösem Willen
Erdacht und ausgesprochen Wie bitter,
Daß wir trotzdem nie genug davon bekommen können.
Sind sie doch um so süßer, je weniger sie stimmen.
"Tell me sweet little lies!" Sonst tun wir es selber.
Die süßesten Lügen sind nämlich die,
Die wir sie selbst für uns erfunden haben. 

 

 

Süße Bitternisse 3


Das Leben ist kein Hustensaft.
Schon gar nicht nur von Zucker.
Am besten schmeckt's wie dunkles Karamell, wenn es,
Lange genug gebräunt, auf der Zungenspitze
Zergeht. Erst süß, dann bitterzart, weit hinten
Im Gaumen. Was wären süße Tage am Ende
Ohne vergangene und zukünftige Bitternisse? Nur Köche
Und Dichter wissen, wie viel Hoffnung
In einer guten Crème caramel steckt. 
Dunstiges Septemberlicht nimmt
mit langen Schatten Abschied
von einem Sommer, der sich anfühlt,
als habe er erst gerade begonnen.
Der Tag schmeckt nach Birne und
ein Specht klopft fleißig Höhlen ins tote Holz.
Noch immer sind Flüchtlinge in Zelten untergebracht.
Noch immer ertrinken viele, die
nachkommen wollen, im Meer. Wie bitter
die Bucheckern schmecken in diesem Herbst.

 

Holunderherz


blauschwarze Tropfen an roten Stengeln
herb und süß. Der Spätsommer
verabschiedet sich mit großer Hitze
und einem schweren Erdbeben in Italien.
In den Nachrichten das Bild
eines weinenden Geistlichen
vor den Trümmern zerstörter Häuser.
Beim Weg durch die Stadt
seh ich zum ersten Mal am Straßenrand
das von Security bewachte Tor
mit dem Schild "Erstaufnahmeeinrichtung".
Ich suche Kühle unter Bäumen. Ein Rotkehlchen
folgt mir einige Schritte auf der Böschung mithüpfend.
Wegentlang Waldwiesen mit Heu,
das in diesen Tagen,
in großen Reihen zusammengerecht,
sogar im Schatten trocknet.
Vorbei an Streuobstwiesen mit Äpfeln,
klein genug für eine Kinderhand,
die niemand erntet außer den Eseln,
die mit langem Hals die tief hängenden Früchte
von den Bäumen klauben.

 

 

Meergras


Meergras zeichnet
Mit feiner Spitze,
Vom Wind um die eigene Mitte gedreht,
Einen Zirkel in den Sand.
Der Schritt stutzt
Vor seinem zarten Bannkreis,
Obwohl ein paar Tropfen später
Seine Spuren wieder verwischen. 

 

 

Göttliches Licht


Der Kreis um die Stelle, die niemand erreicht
Das göttliche Licht, das nichts anderem gleicht
Der hat eine Delle, ist niemals ganz rund
Drum eiern wir immer
Um den göttlichen Schimmer
Sind nie ganz im Lot
Das einzige runde ist doch nur der Tod
Wir schlingern und stolpern im Nebel dahin
Genau so zu holpern ist der einzige Sinn 

 

 

Büro für Alltagspoesie


Willkommen im Büro für Alltagspoesie!
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