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Reisepoesie

 

Westwärts


Freiheit kann man mieten!
Ich zahl in kleinen Träumen
Unterwegs auf rauhem Beton
Belgien, Land der tiefen Wolken
Grau wie der Regen, der
Das Salz vom nahen Meer
Mit sich auf die Felder nimmt,
Auf denen Möwen warten,
Bis der Wind sie
Wieder mit uns westwärts trägt. 

 

 

Dolphin day

 

Man müsste unter Wasser atmen können. Denn heute
schwimmen wir mit unserem blauen Wal geradewegs
durchs Aquarium. Neben uns ein Delphin im Landeanflug.
Mitten im Algengrün stoppt ein rote Muräne, unweit
von einem verlassenen Bahnwärterhäuschen zwischen

 

mannshohen Korallenfeldern, durchschnitten nur von
unsichtbaren Gleisen und einem Pfad, den man nur am
Seepferdchen mit rot betresstem Reiter erkennen kann.
Auf dem Hügelkamm der Scherenschnitt eines Krebses
beim Algen mähen. Wir tauchen unter einer betongrauen

 

Grotte hindurch, auf die jemand „Honey“ oder „Money“
gesprüht hat, dann unter einem Brücken-Tatoo in Keilschrift.
Später machen wir drei Autobahnkreuze, als wir wieder über
Wasser auftauchen und vor Freude eine meterhohe Fontäne
in den Himmel jagen, wo sie in winzige Tröpfchen zerstiebt.

 

Rückenwind


Wir drehen sämtlichen Windmühlen den Rücken zu
Und fliehen südwestwärts auf blaugrauem Asphalt
"Schöne Aussicht" verspricht ein Autobahn Parkplatz
Auf abgeerntete Felder, dichten Eifelwald und ein paar Pferde.
Der Regen ist ein graues Tuch.
Er schluckt den Horizont. Nur ein Fleckchen
Himmelsblau erzählt Geschichten vom vergangenen
Sommer, der nie einer war.

 

La Moselle

 

Der Himmel schmeckt nach Pastis und grüßt auf französisch.
Nur Cattenom schickt Rauchzeichen ins Wolkenlos.
Die Kühe sind weiß und geben Milchkaffee .
Und die Mosel heißt hier Moselle. Die macht heute blau.
Ich zähle Schwäne, solange die Finger reichen
Und sammle Strohballen: gerolltes Sommerglück!
Endlose Hecken säumen große Felder
und kleine Windmühlen holen Wasser für das Vieh.
Es ist das Land der Wälder, Quellen, Weiden.
So wenig Städte und Menschen vergißt man nie.

 

High Noon

 

High noon! Die Sonne dreht auf Süden.
Wir haben Wind im Gepäck.
Verblühte Sonnenblumen nicken
mit ihren müden Köpfen meerwärts.
Später Mais steht auf den Feldern
Pappeln mäandern die Flüsschen entlang.
Wie Pilze schießen Wassertürme
aus der frisch gepflügten Erde
Und rote Dächer unter Hängen voller Wein.
Champagner fließt hier aus jedem Wasserhahn.
Der Mistral treibt die letzten Wölkchen böig
vor uns her. "Schnell weiter, immer die Rhone entlang!"
"Richtung Abend wartet das Meer!"

 

La femme sans tête

 

"Die Frau ohne Kopf" heißt ein Flüßchen, das wir queren.
Spatzen nehmen ein Trockenbad im weißen Kies
vorm Spielplatz am Autogrill. "Das Tor zum Süden"
liegt jetzt hinter uns. Die Rhone vor Valence
gibt in der Nachmittagssonne das kleine Meer.
Zypressen und Obstbäume am Weg
Und der Atommeiler von Montélimar.
Ein Fischreiher fliegt tief und ein Schwarm Tauben, nur
eine einzelne weiße in ihrer Mitte.
Bei Orange macht die Sonne noch mal einen Knicks
Und wendet sich westwärts
zum letzten Tanz der langen Schatten.

 

 

Landschaft mit Kühen

Betriebswolkenausflug über Herbstlandschaft. Gemähte Felder,
Eichstichgelb. Und braune Erde, fein gerecht, wie Samt, mit der flachen Hand
Gegen den Strich gebürstet. Waldweit wird Flagge gezeigt
In den Farben Grün gelb rot. Die Dörfer werfen lange Schatten
In den späten Nachmittag. Alleenlang gibts jetzt bunte Baumkugeln
Am Stiel. Wer mag, darf sogar selber Bäume bemalen!
"Aber bitte: Die Kühe bleiben heute weiß!" 

 

 

Auf ans Meer


Die Sonne im Rücken, das Meer im Kopf,
Sand an den Füßen und auf dem Schopf.
Durch Starkregen ins Dunkelgrau,
Aus dem ich mir 'ne Sandburg bau'
Mit Wolken hoch ins Himmelblau,
Bis mich die Sterne grüßen. 

 

 

Rettungsgasse

 

Ich liege, kaum ellenhoch, dicht unterm
grauen Plafond und schaue, rücklings
ausgerädelt, durch Dein Finger-Tatoo,
seitwärts ans Fenster geschmiert, auf

 

fliehende Bauzäune und Böschungen
unter unbewegten Himmeln. Ich setze
die Hoffnung auf Null und beginne neu
zu zählen. Das Gesicht eines Jungen an

 

der Seitenscheibe, der einen Blick lang
herübersieht. Zwei Motorradfahrer, die
sich tief unter den Starkregen duckend

 

drei Autos später knapp einem Unfall
entgehen. Kein Helm schützt den Kopf
vor dem eigenen Denken, wenn es zählt.

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